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Advanced Analytics: von datengesteuerter zu ergebnisgesteuerter Analyse

Advanced Analytics betrachtet nicht nur die Robustheit von Prognosemodellen. Der Fokus liegt vor allem darauf, die Wirksamkeit (und die Nebenwirkungen) der getroffenen Entscheidungen zu bewerten und daraus zu lernen.
Advanced Analytics betrachtet nicht nur die Robustheit von Prognosemodellen. Der Fokus liegt vor allem darauf, die Wirksamkeit (und Nebenwirkungen) der getroffenen Entscheidungen zu bewerten und daraus zu lernen.

Von der Versessenheit, die Zukunft zu kennen

Der Mensch war, ist und wird immer von dem Verlangen getrieben sein, die Zukunft zu kennen. Denn wenn er weiß, was passieren wird, kann er bessere Entscheidungen treffen und bessere Ergebnisse erzielen.

In der Geschäftswelt ist es nicht anders. In meinen 15 Berufsjahren habe ich die Entwicklung von Prognosemodellen und Analysen miterlebt und selbst daran mitgearbeitet. Was ich gelernt habe ist: Sobald eine Vorhersage publiziert ist, stellt sie per definitionem weder die Wahrheit noch die tatsächliche Zukunft dar. Viel eher ist sie eine Schätzung dessen, was passieren wird oder passieren könnte. Unabhängig von der Methode ist eine Vorhersage einfach nur eine Vorhersage, Punkt. Im besten Fall dient sie als Entscheidungshilfe, aber sie sollte nicht das einzige Kriterium für Entscheidungen sein.

Die Robustheit von Vorhersagen messen

Bei der Suche nach präzisen Vorhersagen bin ich auf eine weitere Obsession gestoßen: Nämlich herauszufinden, wie robust die Berechnung und wie genau das Vorhersagemodell ist. Dies sind zweifelsohne berechtigte und außerordentlich wichtige Anliegen von Entscheidungsträgern.

Allerdings habe ich in diesen Diskussionen zwischen Fachbereich, IT und Analytics-Spezialisten manchmal beobachtet, dass das geschäftliche Problem, das wir zu lösen versuchen, zu einem zweitrangigen Thema wurde. Hingegen zog die Vorhersage und deren Genauigkeit die gesamte Aufmerksamkeit auf sich. Natürlich ist es sehr wichtig zu diskutieren, was ein gutes Prognosemodell ausmacht und wie man Genauigkeit und Robustheit definiert. Aber das sollte nicht der alleinige Fokus sein, denn es stellt sich immer auch die Frage: Angenommen, das Prognosemodell ist robust – was werden die Verantwortlichen mit den Vorhersagen anfangen?

Was zählt, sind die Ergebnisse – die gewünschten Ergebnisse!

Im Laufe der Zeit, nach vielen intensiven Diskussionen und noch mehr Überlegungen ist für mich klar, dass letztlich das Ergebnis der Geschäftsentscheidung zählt. Hierfür leisten Prognosen und Vorhersagen ohne Frage einen elementaren Beitrag im Entscheidungsprozess. Im Regelfall wird das Ergebnis jedoch noch von weiteren, häufig externen Faktoren beeinflusst. Ich habe also Grund zu der Annahme, dass die Robustheit des Vorhersagemodells sehr wichtig, aber nicht das einzige entscheidende Element ist.

Leider habe ich meist nur im akademischen Bereich oder bei wissenschaftlichen Experimenten gesehen, dass Daten über Geschäftsentscheidungen und deren Ergebnisse gesammelt und dann genutzt wurden, um nicht nur die Vorhersagemodelle weiter zu bereichern, sondern auch die Wirksamkeit der Entscheidung zu messen.

Und hier ist mir ein Paradoxon aufgefallen: Viele Unternehmensverantwortliche neigen dazu, sich auf die Robustheit der Modelle zu konzentrieren. Die Wirksamkeit der auf der Grundlage der Prognosen getroffenen Entscheidungen spielt hingegen häufig eine eher untergeordnete Rolle.

Fokus auf das Ganze

Bei der Implementierung einer Advanced-Analytics-Lösung – sei es ein Proof of Concept (PoC), Proof of Value (PoV), Bericht oder wie sie auch immer heißen – sollte man daher stärker den End-to-End-Prozess betrachten und nicht nur das Prognosemodell.

Vielleicht werden für den End-to-End-Ansatz zusätzliche Daten benötigt, um das Modell zu speisen. Wenn dies der Fall ist, sollte das Anwendungsfeld begrenzt werden, um den Aufwand effizient und effektiv zu halten. Der Kerngedanke besteht darin, schnell zu entscheiden, ob der Ansatz der richtige ist oder nicht, bevor man die Modelle und technischen Lösungen skaliert.

Lernen, lernen, lernen

Nehmen wir ein fiktives Beispiel, das auf dem „heiligen Gral“ der Lieferkette basiert: On-Time-Delivery, kurz ODT. Alle Beteiligten in der Lieferkette möchten die OTD-Raten kennen. Das ist kein Problem, denn die Informationen basieren auf der Performance in der Vergangenheit. Und jeder möchte wissen, wie hoch die zukünftige OTD-Rate seiner Lieferanten sein wird, auch Estimated Time of Arrival (ETA) genannt. Einfach ausgedrückt: Wann werden meine Teile eintreffen?

Wenn Sie die voraussichtliche Ankunftszeit Ihrer Bestellungen kennen, können Sie die kritischen Lieferungen identifizieren und entscheiden, was zu tun ist: Eine Eskalation gegenüber Ihren Lieferanten, um Ihre Bestellung zu priorisieren, scheint die naheliegende Reaktion zu sein. Schließlich sind Sie ein wichtiger Kunde, und wenn Sie Ihre Lieferanten wissen lassen, dass die gefährdete Bestellung wichtig ist, können diese ihr Bestes geben und ihre Prioritäten entsprechend verschieben.

Sie haben es geschafft! Nun sollten die bestellten Teile pünktlich ankommen. Das gewünschte Ergebnis bzw. Ziel der Maßnahme ist also die rechtzeitige Lieferung. In diesem Beispiel ist die prognostizierte Ankunftszeit (ETA) wichtig, aber auch die Entscheidung zum Handeln spielt eine Rolle. Sobald die Maßnahme ergriffen wurde, sollte diese Information auch in Ihr Prognosemodell einfließen und die Vorhersage entsprechend angepasst werden.

Die Frage ist: Erfassen Sie diese Daten? Und, was noch wichtiger ist: Ist es Ihnen gelungen, die Teile rechtzeitig geliefert zu bekommen? Wenn die Antwort ja lautet, war Ihre Entscheidung vermutlich die Richtige (zumindest dieses Mal). Wird sie auch beim nächsten Mal funktionieren? Vor allem aber: Wissen Sie auch, wie sich Ihre Geschäftsentscheidung auf Ihre Zulieferer, Ihre übrigen Aufträge usw. auswirkt?

Wenn Sie all diese Daten in Ihr Modell aufnehmen können, sind Sie in der Lage, die Ergebnisse auf einer aggregierten Ebene zu messen und zu sehen, ob das Modell und die von Ihnen getroffene Entscheidung das gewünschte Ergebnis liefern werden. Und das Ergebnis kann interessant sein. Denn nach der Einführung des ETA-Prognosemodells könnte ein mögliches Ergebnis wie folgt aussehen (siehe Abbildung 1):

 

  • Demnach ist der Prozentsatz der Lieferanten mit einer OTD-Leistung von 60 % und darüber gesunken. Der Anteil der Lieferanten mit einer OTD von unter 60 % stieg hingegen an.

In unserem Beispiel, bei dem wir uns auf einzelne Aufträge konzentriert hatten, hatten wir den Eindruck, dass das Ergebnis richtig war. Aber auf einer aggregierten Ebene scheint die Priorisierung der Aufträge anhand der ETA-Prognose zu einem Ergebnis geführt zu haben, bei dem sich die Gesamtleistung Ihrer Lieferanten nicht verbessert hat.

Was war geschehen?

  • Die Priorisierung scheint bei einigen als gefährdet eingestuften Lieferungen funktioniert zu haben, führte aber bei anderen Aufträgen möglicherweise zu Unterbrechungen.

Bei jedem einzelnen Auftrag besteht also die Gefahr, dass man voreingenommen ist und davon ausgeht, dass das Vorhersagemodell richtig war: „Ich habe gehandelt, und der Lieferant hat meine Bestellung priorisiert. Also habe ich meine Bestellung pünktlich erhalten. Klasse gemacht.“

Und bei den Aufträgen, die eine niedrigere Priorität erhielten, wären wir versucht zu sagen, dass das Vorhersagemodell richtig war: Wir wussten, dass dieser Auftrag mit Verspätung eintreffen würde, und so war es auch.

Aber um solche vorschnellen Schlussfolgerungen zu vermeiden, sollten wir tiefer einsteigen. In Abbildung 2 sehen Sie, was mit den Aufträgen für Standardteile passiert ist. Das Ergebnis ist auf der aggregierten Ebene ganz ähnlich:

 

Mit anderen Worten: Die Priorisierung hat die OTD-Gesamtleistung nicht verbessert. Vielmehr verschlechterte sich die Situation bei den Aufträgen mit einer OTD von über 60 %.

In Abbildung 3 ist zu sehen, dass sich die OTD-Leistung aber tatsächlich verbessert hat – bei kundenspezifischen Teilen. Der Prozentsatz dieser Aufträge mit einer OTD-Leistung von über 60 % hat sich erhöht:

Es liegt also nahe zu sagen, dass es geklappt hat. Und in der Tat hat es das auch.

Aus diesem Beispiel können wir ableiten, dass sich bei Bestellungen von kundenspezifischen Teilen die Aufforderung an die Lieferanten, die Bestellungen zu priorisieren, positiv auf die OTD auswirken kann. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Produktionslinien für kundenspezifische Teile flexibler sind als die Produktionslinien für Standardteile. Daher könnte die Priorisierung von Aufträgen für Standardteile eine größere Herausforderung für die Lieferanten darstellen. Vielleicht gibt es aber auch einen anderen Grund dafür und es sind weitere Analysen erforderlich.

Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass nicht nur die Genauigkeit unseres Prognosemodells bewertet werden sollte, sondern dass die Unternehmensentscheidung eine größere Rolle für das Ergebnis spielen könnte als ursprünglich angenommen. Die Lektion, die wir hier gelernt haben, lautet: Verfolgen Sie die Ergebnisse und bewerten Sie die Entscheidungen, die vor und nach der Implementierung von Prognosetools getroffen wurden.

Fazit: Konzentrieren Sie sich auf das gewünschte Ergebnis und verfolgen Sie nicht nur die Genauigkeit der Vorhersage, sondern auch Ihre Geschäftsentscheidungen!

  • An Prognosen und Vorhersagemodellen ist nichts auszusetzen, aber fixieren Sie sich nicht nur darauf.
  • Konzentrieren Sie sich auf das gewünschte Ergebnis. Sorgen Sie dafür, dass Ihre Daten und das Prognosemodell für Sie arbeiten. Verfolgen Sie einen ganzheitlichen Ansatz.
  • Wenn in Ihren Systemen nicht genügend Daten vorhanden sind, sollten Sie klein anfangen und Ihr Modell anreichern, um die Ergebnisse von Geschäftsentscheidungen zu verfolgen. Später können Sie Ihr Modell auf dieser Grundlage erweitern und ein preskriptives Modell in Betracht ziehen.
  • Lassen Sie sich nicht in die Irre führen, indem Sie sich nur auf das positive Ergebnis konzentrieren. Messen Sie alle Ergebnisse und finden Sie heraus, in welchen Fällen das Modell und Ihre Entscheidungen funktionieren und in welchen nicht.
  • Advanced Analytics können ein gutes Instrument für die Lösung von Geschäftsproblemen sein. Allerdings gibt es keine Einheitslösung für alle.
  • Analytics, Big-Data-Techniken und -Technologien haben sich in letzter Zeit exponentiell entwickelt. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, bis sie wirklich ausgereift genutzt werden können. Lernen Sie also weiterhin aus Ihren Daten und Ihrem Unternehmen.
  • Wenn Sie das nächste Mal in Erwägung ziehen, Ihre Lieferanten aufzufordern, Ihre kritischen Aufträge zu priorisieren, überlegen Sie es genau…

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