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Der erste Advent steht vor der Tür – Grund genug für uns, einen Insider aus der Organisation des Weihnachtsmannes zu Wort kommen zu lassen. An den kommenden Freitagen bis Weihnachten können Sie hier die etwas andere Weihnachtsgeschichte in vier Teilen verfolgen und ganz nebenbei erfahren, was es bedeutet, agil zu sein. 

Mittwoch, der 15. Oktober – noch 70 Tage bis Weihnachten

Weihnachtsmann8:00
Wie jedes Jahr zu Weihnachten mache ich mich auf zum Weihnachtsmann – ich bin ein Elf und muss ihm helfen, die Geschenke zu den Kindern am Weihnachtsabend zu bringen. Zu Ostern mache ich das auch für den Osterhasen. Und im Sommer – na ja darüber schweigen wir lieber…

Also ich fliege zum Nordpol (der Flugplan der Fliegenden Teppiche wird auch jedes Jahr schlechter). Ich gehe ins Büro und mache meinen Computer an. Wie jedes Jahr erwarte ich eine Flut von Wünschen, die es zu bearbeiten gilt: Archivieren, kategorisieren, strukturieren, … der Wünsche des vergangenen Jahres, Vorbereiten der Wunschkategorien für dieses Jahr, Einsortieren der übriggebliebenen Wünsche – auch Leftovers genannt, etc.

In den letzten Jahren war mein Eingangskorb – auch Inbox genannt – immer gut gefüllt. Aber dieses Jahr – nichts, einfach nichts. Hatte ich mich falsch angemeldet? Anmeldename: Jaraelf11, Passwort: Weihnachten@Home…Nein alles in Ordnung. Da ist einfach nichts. Ich habe nur eine Einladung zu einem Meeting um 10:00.

leerer Posteingang

10:00
Ein unglaubliches Meeting – alle Elfen-Manager sind hier, der Osterhase, die Zahnfee (ich weiß wirklich nicht, was die hier will) und sogar die Oberhexe. So ein Meeting hatten wir das letzte Mal vor drei Jahren, als die Hilfs-Elfen drohten zu streiken.

„So“, eröffnet der Weihnachtsmann das Meeting. Das ist nicht wirklich etwas Besonderes. Er eröffnet jedes Meeting mit „So!“. Aber diesmal ist eine Pause hinter dem „so“ und kein Ausrufezeichen. Er hat auch nicht diesen strafenden Blick… Er blickt freundlich in die Runde – so als würde er uns allen einen Zuckerlutscher schenken wollen. Einfach unglaublich!

10:05
Der Weihnachtsmann erklärt uns, dass dieses Jahr alles anders werden würde – hihi wie jedes Jahr.
Er schaltet den Projektor an und wir sehen eine PowerPoint-Präsentation:
„Dieses Jahr werden wir agil!!!“ – mit drei Ausrufezeichen.

Christmas AGILE

12:00
Zwei Stunden hat der Weihnachtsmann uns erklärt, was man unter agil versteht. Dieser alte dicke Mann hüpfte auf und ab wie ein Kaninchen vor lauter Begeisterung.

„Dieses Jahr wird es uns nicht passieren, dass wir 90% der Wünsche in den letzten 10 Stunden vor der Bescherung fertigstellen. Dieses Jahr werden wir keine Pläne von oben vorgeben. Dieses Jahr ist jedes Team für die Erfüllung der Wünsche selbst verantwortlich!“

In den vergangenen Jahren hatten wir im Wasserfall-Modell gearbeitet. Das hatten wir nicht gewusst. Aber wenn es der Weihnachtsmann sagt, wird es wohl stimmen 😉 . Die Archivare hatten die Wünsche gesichtet und nach der vollständigen Sichtung an die Konstrukteure übergeben. Die Wünsche wurden durch die Konstrukteure implementiert und dann vollständig an die Tester übergeben. Die Tester waren immer letzten in der Kette und hatten in der Vergangenheit immer unter dem Weihnachtsmann zu leiden, weil sie nach seiner Meinung immer zu langsam waren.

Aber durch den Übergabetermin an die Tester hatten die Konstrukteure unter dem Druck oft nicht sorgfältig genug gearbeitet und viele Wünsche wurden von den Testern nicht abgenommen und mussten dann in die Leftovers geschoben werden. Aber seit wann hatten wir denn Teams? Kopfschütteln verließen wir alle das Meeting. Jetzt in der Kaffeeküche diskutieren wir über dieses Etwas – die Teams wurden quer durch die Elfen-Spezialisten eingeteilt. Immer war ein Wunscharchivar – so wie ich, Konstrukteure, Tester und auch ein Geschenkeverpacker dabei. Der Weihnachtsmann erklärte uns, dass wir nun cross-funktionale Teams bilden. Aha! Die Teams hätten wohl keinen Team-Lead mehr, ihnen wird „nur“ ein Christmas-Master zur Seite gestellt. Wir haben nun die Oberhexe als Christmas-Master. Ich habe so ein Glück! *Seufz*

Morgen sollen wir uns das erste Mal mit unserem Christmas-Master treffen, dann werden wir weiter sehen.

TeamDonnerstag, der 16. Oktober – noch 69 Tage bis Weihnachten 

8:00
Ich bin wieder im Büro. Diesmal ist meine Inbox voll – sogar noch voller als in den vergangenen Jahren. Um 8:30 hat die Oberhexe zu einem Teamtreffen eingeladen – das wird sicher toll *grrr*.

8:30
Die Oberhexe hat auch eine Präsentation. Allerdings nicht so toll wie der Weihnachtsmann – wie auch.

„Es sind noch knapp 10 Wochen bis Weihnachten.“ Als ob wir das nicht wüssten. „Wir starten mit der Wunscherfüllung ab nächste Woche Mittwoch. Bis dahin werden wir unsere Weihnachssprints vorbereiten.“ Äh – Weihnachtssprints????

Die Erklärung kommt gleich auf der nächsten Folie. „Sprints sind Timeboxen.“ Das erklärt natürlich alles. Ich kann nicht sagen, dass ich alles verstehe. Aber es läuft wohl alles darauf hinaus, dass alle zwei Wochen Weihnachten sein könnte. Als ob das Datum nicht feststehen würde. *Kopfschüttel* Man kann doch nicht plötzlich zu Allerheiligen Weihnachten feiern. Nach jedem Weihnachtssprint holen wir uns Feedback von unseren Kunden. Hallo? Sollen wir jetzt die Kinder schon vor Weihnachten fragen, ob ihnen die Geschenke gefallen. Nein das wohl nicht. Der Gift-Owner übernimmt die Rolle der Kinder sozusagen als Träger des „Business-Knowledge“. Hihi denke ich bei mir, das arme Schwein wird dann verantwortlich gemacht, wenn nichts hinhaut. Aber da hatte ich mich wohl zu früh gefreut.

Die nächste Folie erscheint – und da steht mein Name „Jara – Gift Owner“. Oh mein Gott! Das kann doch nicht wahr sein. Ich soll der Gift Owner sein und alle Wünsche und Leftovers kategorisieren, strukturieren, archivieren… wie soll ich das denn in einer Woche schaffen. „Nein, nein“, ruft die Oberhexe, „hast Du es noch immer nicht begriffen? Nur die wichtigsten Wünsche! Nur die wichtigsten!“ Aber wie soll ich denn wissen, was die wichtigsten sind, wenn ich nicht alle kategorisiert, archiviert und strukturiert habe. „Das überlasse ich Deiner Erfahrung. Schließlich bist Du lange genug im Geschäft. Wie lange machst Du das jetzt? 250 Jahre ..“ „230“ „Das sollte reichen. Zwar bist Du ein junger Hüpfer verglichen mit mir, aber das schaffst Du auf jeden Fall.“

Toll, die Oberhexe mit ihren 756 Jahren hatte gut Reden – ich muss halt sehen wie ich zurechtkomme.

13:00
Die Oberhexe hat mir erklärt, dass ich ein Sprint-Backlog für den nächsten Weihnachtssprint anlegen soll. Auf meine Nachfrage wie ich das machen soll, erklärte sie mir, dass sich der Sprint-Backlog aus dem Wunsch-Backlog füllt. Die Wünsche werden nach Priorität geordnet und dann der Reihenfolge nach abgearbeitet. Und wie komme ich an einen Wunsch-Backlog. „Ganz einfach – archivieren, kategorisieren, strukturieren …“ Toll! Wirklich toll! Na wenigstens weiß ich, wie man archiviert, kategorisiert und na ja strukturiert. Aber alle Wünsche und Leftovers aus dem letzten Jahr zu sichten und einzusortieren innerhalb von einer Woche – das ist einfach unmöglich.

deskFreitag, der 17. Oktober – noch 68 Tage bis Weihnachten

17:00
Ich habe nun anderthalb Tage an dem Wunsch-Backlog und dem Sprint-Backlog gearbeitet. Mir ist immer noch nicht klar, wie ich bis Mittwochmorgen alles geschafft haben soll. Aber ich werde es zu mindestens versuchen.

Die Oberhexe hatte mir am Vortag erklärt, dass ich Gift-Stories schreiben soll, basierend auf den eingegangenen Wünschen. Ein Wunsch bezog sich auf einen Regenbogen, weil man am Ende des Regenbogens sein Glück findet. Einen solchen Wunsch soll ich umformulieren: „Als nach meiner Meinung unglücklicher Mensch wünsche ich mir einen Regenbogen, so dass ich an seinem Ende mein Glück finden kann.“ Aber das alleine reicht nicht. Ich soll auch noch sogenannte Akzeptanz-Kriterien formulieren. „Der Wunschinhaber ist nicht unglücklich. Es wird ihm gezeigt, dass seine Familie ihn liebt. Er sieht den Regenbogen und empfindet sich als glücklich, da er vorher schon gesehen hat, dass er eigentlich glücklich ist, ohne es wirklich erkannt zu haben.“

17:30
Die Oberhexe schaut nochmal herein. Sie klopft mir auf die Schulter und versucht mich zu ermutigen.

„Versuche Dich auf die wichtigen Wünsche zu konzentrieren. Versuche die schwierigen herauszufinden. Du weißt doch, dass manche Wünsche länger dauern, als andere.“

Ja das weiß ich, aber wie soll ich wissen, dass ich keinen übersehen habe und das die Reihenfolge richtig. Die Oberhexe hat wirklich gut reden. Aber jetzt ist erst einmal Wochenende.

Dienstag, der 21. Oktober – noch 64 Tage bis Weihnachten

8:00
Morgen soll unser erster Sprint starten. Heute haben wir den Wünsche-Workshop. Ich soll den Sprint-Backlog vorstellen. Den Wunschbacklog habe ich gefüllt, die Leftovers vom vergangenen Jahr habe ich nach ganz oben gestellt. Na ja, ich glaube jedenfalls, dass sie wichtiger sind als die Wünsche von diesem Jahr – aber das Kind ist jetzt ein Jahr älter, ob es sich dann wirklich noch einen Teddybär wünscht und nicht eher ein … Smartphone. Ich bin super-nervös. Die Oberhexe wird das Meeting „moderieren“. Sicher wird sie wieder alles an sich reißen und uns vorschreiben, wie wir die Geschenke herstellen sollen. Als ob wir das nicht besser wüssten.

10:00
Das Meeting startet. Die Oberhexe erklärt uns, wie wir weiter vorgehen sollen. Ich als der Gift-Owner stelle Wunsch für Wunsch vor – also die, die ganz oben in meiner Liste stehen und dann die weiter unten. Die mit der höchsten Priorität zuerst und dann die mit weniger Priorität. Danach schätzen wir, wie lange wir für einen Wunsch brauchen – ok das haben wir in den vergangenen Jahren auch gemacht. Tiramo, der Check-Konstruktions-Elf, weiß schon wie man das macht. Da mache ich mir keine Gedanken.

Also starte ich mit dem ersten Wunsch – es ist ein Leftover aus dem vergangenen Jahr: „Hallo Weihnachtsmann, ich wünsche mir eine neue Oma. Meine Oma ist im Sommer gestorben und ohne Oma schafft es meine Mama die ganze Arbeit nicht und hat keine Zeit mehr für mich.“ Natürlich habe ich ihn als Gift-Story umformuliert. „Als 11-jähriges Kind wünsche ich mir eine Oma, so dass meine Mutter wieder mehr Zeit für mich hat.“ „Ah“, ruft Purzelbaum der Kaputt-Mach-Elf von den Testern, „Den Wunsch kenne ich noch. Letztes Jahr haben wir es nicht geschafft. Niemand hatte eine Idee, wie man einen solchen Wunsch umsetzen kann.“ „Genau“, antworte ich, „aber in der Zwischenzeit habe ich darüber nachgedacht. Ich denke, wir brauchen keine richtige Oma. Wir brauchen nur einen netten Menschen, der zu Weihnachten bei dem Kind ist und danach ihrer Mutter ein wenig bei der Arbeit hilft.“ Erstaunlicherweise nicken alle in der Runde. Tiramo sieht nachdenklich aus und sagt: „Wir hatten einen ähnlichen Fall schon mal vor ein paar Jahren. Wir haben einen älteren Mann gefunden, der die Familie nach Weihnachten regelmäßig besuchte. Aber es hat uns viele Tage gekostet, ihn zu finden und dann auch mit der richtigen Familie bekannt zu machen. Magie ist manchmal sehr anstrengend.“ Da hat er zweifelsohne Recht.

„Nun. Genug mit der Diskussion.“ Ich habe die Oberhexe fast vergessen. Aber sie kann sich schon gut in Erinnerung zu bringen. „Wir werden jetzt den Wunsch abschätzen.“ „Ich weiß nicht.“, sagt Tiramo „Ich würde gern nochmal darüber nachdenken.“ „Ja“, das Lächeln der Oberhexe lässt mir das Blut gefrieren, „so machen wir das jetzt nicht mehr. Wir schätzen die Wünsche in einem Planning-Poker.“ „Hihi“, Maromar, der Verpackungs-Elf ist schon mutig in Gegenwart der Oberhexe zu lachen, „Ich wusste ja gar nicht, dass Du Poker spielst, Oberhexe.“ „Ich spiele kein Poker.“, die Oberhexe blickt den armen Maromar an, „ich sagte Planning-Poker. Damit schätzen wir den Wunsch ab.“ Alle blicken sich hilflos an. Die Oberhexe verteilt Karten an uns alle. Die Karten waren mit den Zahlen 1, 2, 3, 5, 8, 13, 40 und 100 beschriftet. Maromar kann es wirklich nicht lassen, hihi. Er wirft seine 100 in die Mitte und ruft „Gewonnen!“ Ich erwarte einen Wutausbruch der Oberhexe. Aber sie schlug nur ihren Kopf gegen die Wand. „Ich erkläre es Euch nochmal! Aber dies ist das letzte Mal! Wenn einer von Euch das nochmal macht, hexe ich ihm eine Gewitterwolke über den Kopf!“ Das wollen wir dann wohl auch nicht.

„Jeder von Euch schätzt für sich ab, wie komplex die Erfüllung des Wunsches ist. Dazu zählt nicht nur die Konstruktion des Wunsches, es zählt auch die Qualitätskontrolle. Wenn ihr dann soweit seid, legt ihr die Karte auf den Tisch, die Eurer Schätzung am nächsten kommt. Aber nicht mit der Zahl nach oben. Es sollte keiner sehen, was ihr habt. Wenn alle Ihren Karten auf den Tisch gelegt haben, dreht ihr sie um.“

„Aber wie sollen wir die Komplexität eines Wunsches bewerten?“ Tiramo schaut die Oberhexe herausfordernd an. Offensichtlich hat er im Gegensatz zu mir begriffen, wie das Spiel läuft. Aber die Oberhexe ist gut vorbereitet und weiß auf jede Frage eine Antwort. Sie fragt uns, ob wir alle einen Wunsch kennen, der nach unserer Meinung eine mittlere Komplexität hat. Wir überlegen – und tatsächlich wir können uns auf einen Wunsch aus dem vergangenen Jahr einigen. Diesem ordnen wir nun die Komplexität 5 zu. „Nun schätzt ihr ab wie hoch die Komplexität des abzuschätzenden Wunsches ist im Vergleich zu dem Wunsch auf den wir uns gerade geeinigt haben. Wenn ihr denkt die Komplexität ist ungefähr halb so groß, wählt Ihr die 2 oder 3. Wenn die Komplexität höher ist, wählt ihr die 8 oder 13. Diese Zahlen sind Gift-Story-Points. Mit diesen schätzen wir.“

Das machen wir also. Wir hatten unterschiedliche Karten auf den Tisch gelegt. Noch nicht einmal Plix hatte die gleiche Zahl wie Maromar. Aber Plix konnte ihm diesmal nicht „vollinhaltlich zustimmen“, weil er Maromars Karte nicht sah. Eine heftige Diskussion bricht los. Alle beschuldigen sich, falsch geschätzt zu haben. Ich sehe die Oberhexe an, aber sie lächelt nur. „Genau so soll es sein.“, wirft sie in einer überraschenden Pause ein, „Ihr sollt sehen, dass jeder eine unterschiedliche Meinung hat. Ihr diskutiert die unterschiedlichen Auffassungen und dann schätzen wir nochmal. Das machen wir solange bis wir alle einer Meinung sind.“ Wir sehen uns unschlüssig an. Aber dann ergreift überraschender Weise Plix,  unser niedlicher Tester-Elf, das Wort. Er erläutert, wo er die größten Schwierigkeiten sieht. „Wir müssen eine wirklich Vertrauen erweckende Frau mittleren Alters finden. Keine wirkliche alte Frau – die würde dem Kind Angst machen. Aber wie finden wir eine solche Frau …“ Wir diskutieren verschiedene Ideen – und schätzen nochmal. Nanu was war denn das? Wir sind uns einig. Erstaunlich!

Ich stelle also alle ausgewählten Wünsche vor und nach drei Stunden sind wir wirklich durch und alle Wünsche waren abgeschätzt. Weihnachtsmann

Da wir wissen, wie lange wir für den Wunsch brauchten, auf den wir uns ganz am Anfang geeinigt hatten, konnten wir sogar abschätzen wie viele Wünsche in unseren Sprint passen würden. Irgendwie scheint dieses agile Prinzip zu funktionieren. So richtig glaube ich noch nicht daran. Aber wir werden sehen.

Morgen beginnt unser erster Sprint. Irgendwie freue ich mich sogar darauf…

Wie es mit „Christmas AGILE“ weitergeht, erfahren Sie hier im zweiten Teil der Geschichte

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