Digitale Kollaboration in der Bahnbranche – optimiert mit RailSupply
Thorsten Fülling, Director Consulting, SupplyOn AG, gab dem Privatbahn Magazin #05/2015 ein Interview zum Thema „Zusammenarbeit von Zulieferern und Fertigungsunternehmen in der Bahnbranche“.
Herr Fülling, was sind derzeit die größten Herausforderungen in der Supply-Chain zwischen Zulieferern und Fertigungsunternehmen in der Bahnbranche?
Die größte Herausforderung für die Bahnindustrie ergibt sich aus den Auswirkungen der Globalisierung der Beschaffungsmärkte. Die Tatsache, dass es für Supply-Chain-Prozesse keine allgemein gültigen Standards in dieser Industrie gibt, führt vor allem wenn global eingekauft wird zu einer hohen Prozesskomplexität und -varianz. Hinzu kommt, dass sich die Fertigungstiefe in den letzten Jahren auch in der Bahnindustrie deutlich verringert hat und der hohe Grad der Arbeitsteilung zu mehr Interaktion und Kollaboration in den Prozessen geführt hat. Und nicht zuletzt ist die Bahnindustrie aufgrund des anhaltenden Kostendrucks gezwungen, ihre Produktivität zu steigern, um in Zukunft im globalen Umfeld wettbewerbsfähig zu sein.
Inwiefern werden sich die Anforderungen in der Bahnbranche verändern?
Die oben beschriebenen Trends werden sich weiter verschärfen und zu einem exponentiellen Anstieg der Komplexität auf mehreren Ebenen führen. Zum einen auf der Produktebene mit einer erhöhten Anzahl an Materialien, Versionen und kurzfristigen Änderungen. Zum zweiten auf Prozessebene mit einer steigenden Varianz der Lieferantenprozesse und Datenformate. Und zum dritten auf der Managementebene durch längere Lieferketten und die Einbindung von immer mehr Lieferanten und globalen Partnern in den Produktionsprozess.
Wird diese Komplexitätssteigerung nicht beherrscht, drohen Probleme in der Logistik-Performance wie geringere Liefertreue, erhöhte Fehlerquote und längere Lieferzeiten. Eine sinkende Wettbewerbsposition ist die Folge. Für Bahnbetreiber bedeutet dies unzufriedene Kunden, für Systemintegratoren das Ausbleiben von Aufträgen.
Warum sind Online-Kollaborations-Plattformen ein gangbarer Weg, den sich ändernden / gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden?
Der Schlüssel, um den gestiegenen Anforderungen erfolgreich zu begegnen, liegt zum einen in der Beherrschung der Komplexität und zum anderen in der Steigerung der Transparenz. Komplexität lässt sich beherrschen, wenn es gelingt, verbindliche Standards auf Prozess- und Datenebene einzuführen, die über mehrere Stufen der Lieferkette gelebt und branchenweit genutzt werden.
Die Steigerung der Transparenz kann erzielt werden, wenn zwischen den Gliedern der Lieferkette nicht nur Daten hin und her geschickt werden, die in den jeweiligen internen Systemen verarbeitet werden, sondern wenn in einem gemeinsamen System gearbeitet wird und alle beteiligten Partner eine gemeinsamen Sicht haben. Aus systemtechnischer Sicht ist dies nur mit einer Online-Kollaborations-Plattform möglich. Wenn es jedoch gelingen soll, die Prozesse global und branchenweit verbindlich einzuführen, kann es nicht irgendeine Online-Plattform sein. Dies gelingt nur mit einer branchenspezifischen Plattform, die die Prozesse der Bahnindustrie abbildet. Genau das hat SupplyOn mit RailSupply geschaffen.
Wie funktioniert die Plattform RailSupply und wer nutzt sie?
Über die Plattform RailSupply wird der gesamte Purchase-to-Pay-Prozess für beide Seiten transparent abgewickelt: von der Bestellung inklusive Bestellbestätigung und gegebenenfalls Bestelländerung bis hin zur Lieferavisierung, Rechnung und Qualitätsbeanstandung. Das Besondere dabei ist, dass die gesamte Bahnindustrie auf ein und dasselbe System zugreift. Das bedeutet für einen Lieferanten, der zum Beispiel sowohl Siemens und Bombardier mit Produktionsmaterial versorgt, als auch die Deutsche Bahn mit Ersatzteilen und vielleicht noch einen anderen Zulieferer mit Komponenten, dass dieser alle Vorgänge in einem System bearbeiten kann.
Dass tatsächlich die gesamte Branche in einem gemeinsamen System arbeiten kann, bedeutet eine erhebliche Effizienzsteigerung für alle Beteiligten der Lieferkette – vom Bahnbetreiber über den Zug-Hersteller bis hin zum kleineren Lieferanten. Die Automobilindustrie und die Aerospace-Industrie haben es vorgemacht und wickeln ihre Versorgungsprozesse inklusive Qualitäts- und Transport Management Systeme seit vielen Jahren über SupplyOn ab. Jetzt kann die Bahnindustrie von diesem tiefen Prozess-Know-how und dem globalen Netzwerk profitieren, das mehr als 12.000 Unternehmen miteinander verbindet.
Was sind denn die konkreten Benefits?
Die konkreten Benefits sehen für einen Bahnbetreiber natürlich etwas anders aus als für einen Tier-2-Zulieferer. Wovon jedoch alle gleichermaßen profitieren ist der transparente, strukturierte und standardisierte Informationsaustausch. Dank der integrierten Prozesse werden Medienbrüche vermieden und manuelle Tätigkeiten weitgehend eliminiert. Dies kann die Prozesskosten in den relevanten Teilprozessen um bis zu 30 % senken.
Jedes Unternehmen in der einkaufenden Rolle schätzt die Erhöhung der Versorgungssicherheit. So konnte beispielsweise die Liefertreue für Ersatzteile um 15 bis 20 % erhöht und gleichzeitig der Bestand zwischen 5 und 15 % reduziert werden.
Jedem liefernden Unternehmen hilft die Transparenz über die Bedarfssituation seines Kunden, die eigene Produktion besser zu planen und zu steuern. Übergreifend können die Fehlerkosten drastisch gesenkt werden: die mittelbaren Kosten durch Fehlbestände, Notfallprozesse, Konventionalstrafen, etc. können in vielen Fällen ganz vermieden werden und in Summe um rund 35 % gesenkt werden.
Beispielsweise ermöglicht eine stabilere Ersatzteilversorgung dem Bahnbetreiber die Instandhaltung der Züge besser zu planen und diese letztendlich schneller wieder auf die Schiene zu bringen. Dies erhöht die Kundenzufriedenheit der Fahrgäste. Hier ist jeder Tag bares Geld wert!