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Erfolgreiche Lieferantenanbindung in China – Strategisches Onboarding im Reich der Mitte

1. Januar, 03:55
Mit einiger Aufregung und gerade zurück von der Silvesterparty blicke ich auf den Seeburger EDI Monitor und drücke zum wiederholten Male die „Refresh-Taste“. Nichts passiert.

04:09
Immer noch nichts. Langsam werde ich doch etwas nervös. Mein Kunde in Shanghai wollte doch um 10:00 Uhr Ortszeit live gehen. Das war vor 9 Minuten – für mich eine gefühlte Ewigkeit.

04:13
Nervös drücke ich alle 20 Sekunden den „Refresh“- Button des EDI Monitors. Endlich! 1 Lieferabruf und 3 Feinabrufe. Status: „SUCCESS“! Ich logge mich kurz in SupplyOn ein, um die korrekte Verbuchung zu prüfen und finde alles so vor, wie geplant. Erleichtert greife ich zum Telefon, um meinem chinesischen Kollegen über die erfolgreiche Verbuchung zu informieren. „Liang, first messages were booked successfully. Let’s go!“

Nun bricht die Flut an Nachrichten los. Innerhalb der nächsten Stunde fließen hunderte Lieferabrufe und JIT Nachrichten in Neartime von China zum EDI Rechenzentrum des Kunden, direkt weiter in die SupplyOn Server und damit zu 108 mehrheitlich in China beheimateten Lieferanten. Die ersten Lieferanten werden gleich jetzt beginnen, die Daten zu sichten und die ersten Lieferavise zu erstellen. Das werde ich aber heute nicht mehr erleben, da ich müde, aber zufrieden bereits im Land der Träume bin. Nun kann unser Team in China übernehmen.

Über die Projektdauer von nur 6 Monaten haben wir eine kompetente, chinesisch sprechende Rollout und Support- Infrastruktur aufgebaut um alle (!) 108 Lieferanten vom bestehenden WebEDI Portal auf SupplyOn zu migrieren. Die Lieferanten wurden zu diesem Zweck umfänglich geschult und während der Implementierungsphase und bei der operativen Nutzung unterstützt. Heute haben wir nach dem gleichen Projekttemplate bei 5 chinesischen Werke des Kunden mit mehr als 180 Lieferanten SupplyOn erfolgreich als Prozessplattform implementiert.

Dieser Artikel gibt einen Einblick in die Besonderheiten eines Rollouts in China und soll Ihnen kleinen Leitfaden für einen erfolgreichen Lieferantenrollout in der Volksrepublik China an die Hand geben.

Ein interkulturelles Projektteam überwindet alle Hürden bei der Lieferantenanbindung

Bei einem solch umfassenden Projekt sollte man es tunlichst vermeiden, die Steuerung des Rolloutprojekts von der Zentrale aus zu übernehmen.

Nicht nur, dass die Einkäufer und Disponenten ihre Lieferanten meist sehr gut kennen und in engem Kontakt stehen – die kulturellen Gegebenheiten und die sprachliche Barriere kann mit einem chinesischen Sparringspartner, der sich verantwortlich für den Rollout zeigt, viel leichter überwunden werden als von einer deutschen „Langnase“, wie wir Europäer gerne von den Chinesen genannt werden.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zunächst, intern schriftlich festzuhalten, wer für welche Aufgaben verantwortlich ist und dies immer mit der chinesischen Führungskraft abzustimmen. Vergessen Sie dabei nie, das Projektteam über die Hintergründe des Projekts zu informieren und den Nutzen bzw. die Lösung genau zu erklären. Ein fundierter Change-Management Prozess ist hierbei essentiell, um das Projekt voranzutreiben und die Prozesse auf die Gegebenheiten einer elektronischen Kommunikation einzustellen. Menschen in der ganzen Welt lassen sich nur ungern auf Veränderungen ein, was in China aufgrund der viele tausend Jahre alten Kultur noch viel mehr in Betracht gezogen werden sollte.

Idealerweise profitieren dabei alle Beteiligten, egal ob aus Einkauf, Logistik oder Qualität persönlich an einem erfolgreich ausgerollten Lieferanten: Sei es durch die persönlichen Ziele in der Zielvereinbarung oder einem kleinen Incentive. So erreichen Sie, dass alle Abteilungen gemeinsam auf das Ziel hinarbeiten und minimieren interne Reibereien.

Das Projektteam sollte dann einmal pro Woche in einem (Web-) Jour Fixe zusammenkommen, in dem die Fortschritte im Projekt mit dem Projektplan abgeglichen und ggf. Abweichungen diskutiert werden können.

Features und functions – Verstehen Sie nur chinesisch?

Eines vorab: Software ist eigentlich nur ein Tool, um die Mehrwerte aus einem guten Prozess zu transportieren. Gerade in China ist eine intuitiv bedienbare und vor allem chinesisch-sprachige Lösung dennoch A und O zum Erfolg. Viele chinesische Zuliefer-Unternehmen haben wenig Erfahrung mit Software-Portalen und die meisten Mitarbeiter, die operativ mit dem System arbeiten, sprechen kaum Englisch. Es sollte daher selbstverständlich sein, dass die Lösung auch in Mandarin verfügbar gemacht werden muss.

Gerade bei einer Portal- oder SaaS-Lösung müssen dabei die regionalen Gegebenheiten des chinesischen Internet beachtet werden. Eine spezielle Infrastruktur, die eine performante und ohne die „Great-Firewall“ beeinträchtigte Nutzung ermöglicht, ist deshalb zentraler Bestandteil für die Entscheidung pro oder contra eines Lösungsanbieters.

Stammdaten als Schlüssel zum Erfolg

Am Anfang eines jeden Rollout steht die Sichtung, Konsolidierung und Analyse von Stamm- und Bewegungsdaten. So auch in China. Zunächst gilt es, korrekte Adressdaten zu sammeln und gegebenenfalls anzureichern oder den Lieferanten bezüglich einer Aktualisierung zu kontaktieren.

In diesem Zusammenhang bietet es sich an, einen eindeutigen Schlüssel für die liefernden Unternehmen zu generieren. Eine Lieferantennummer allein ist aufgrund verschiedener Lieferantenstandorte oder kontraktueller Gegebenheiten hierbei meist nicht ausreichend.

Da die DUNS Nummer nicht zuletzt weltweit eindeutig und auch bei SupplyOn als Identifizierungsmerkmal dient, wurde im Projekt die DUNS als führende Nummer verwendet. Ein Problem, das sich hierbei oft ergibt, ist, dass chinesische Unternehmen oftmals über keine registrierte DUNS Nummer verfügen. Über Bisnode D&B in China kann die Nummer aber relativ einfach beschafft werden. Hierbei kann das einkaufende Unternehmen die Führung übernehmen und den Lieferanten entsprechend entlasten.

Die Daten sollten dabei zentral in einer auf einem Dokumenten-Share abgelegten Liste gepflegt und regelmäßig auf Ihre Vollständigkeit geprüft werden.

Sind die Daten gesammelt, müssen diese gesichtet und bereinigt werden. Gibt es Karteileichen, Duplikate, Lieferanten, die in nächster Zeit ausgeschleust werden sollen? Ideal ist es, diese Daten dann mit dem Netzwerk Ihres Lösungsanbieters abzugleichen (Ihr Anbieter hat doch bereits ein Netzwerk mit mehr als 20.000 Lieferanten, oder? 😉 ).

Bereits registrierte Lieferanten können nämlich im Folgenden viel leichter in die Nutzung gebracht werden, da bei diesen die Erstregistrierung und Schulung deutlich einfacher ausfällt. Sie starten damit dann nicht von Null, sondern bereits bereits mit einer soliden Lieferantenbasis.

Plan your rollout and roll out your plan

Bevor der erste Lieferant angesprochen werden soll, will ein Rollout gut geplant sein. Als erfolgreiches Mittel hat sich hierbei eine detaillierte Wellenplanung und ein ausgefeiltes Kommunikationskonzept erwiesen. Welche Lieferanten können aufgrund einer guten Geschäftsbeziehung als Pilotlieferanten vor dem Go Live dienen?

Welche strategischen Lieferanten möchte ich zuerst auf der Plattform haben? Gibt es Lieferanten mit hohem Beleg- oder Transportvolumen, bei denen ich schnell Quick Wins erzielen kann? Je nach Anzahl der Lieferanten ergibt sich eine terminierte Wellenplanung, die dann strukturiert und nach Plan in den Rollout eingekippt und durch den Rolloutprozess geführt werden können.

Ni hao – Wir hätten da gerne mal ein neues System eingeführt

Am Anfang eines Kommunikationskonzepts empfehle ich Ihnen erst einmal den direkten Kontakt zum Lieferanten. Lassen Sie Ihren Einkäufer oder Disponenten mit seinem Counterpart telefonieren, oder sprechen Sie das Thema bei einem Jahresgespräch oder Vororttermin an.

Das darauf folgende Anschreiben sollten Sie danach idealerweise per Post verschicken Ein kleiner Two-Pager (den Sie ggf. auch per E-Mail hinterherschicken können) gibt dem Entscheider bereits an dieser Stelle einen Überblick über die Zielsetzung und die Vorteile, die mit einer elektronischen Kommunikation einhergehen. Schließlich stellt ein neues System nicht nur Ihr Unternehmen intern sondern auch den Lieferanten vor eine Veränderung, die projektiert werden muss. Unterscheiden Sie in Ihrem Anschreiben auch zwischen Lieferanten, die die einzuführende Lösung schon kennen und solchen, die komplett neu in die Nutzung gebracht werden.

Die Möglichkeiten sind danach sehr vielfältig. Laden Sie (nicht konkurrierende) Lieferanten zu einem Lieferantentag ein, veranstalten Sie Webmeetings, usw. Hierbei muss im Projektteam entschieden werden, wie vorgegangen werden soll. Dies hängt sicherlich nicht zuletzt von den Beziehungen zu den Lieferanten ab.

Aus Ihren Ideen erstellen Sie ein Kommunikationskonzept:

  • Was ist zu tun? (z.B. Anschreiben versenden)
  • Wer ist verantwortlich?
  • Wer wird informiert oder cc gesetzt?
  • Bis wann ist für welche Welle die Aufgabe zu erfüllen?

Dieses Kommunikationskonzept sollte dann ebenfalls regelmäßig durchgesprochen und Abweichungen dokumentiert werden.

Da Ihre Einkäufer vermutlich nicht die Zeit haben werden, den versendeten Registrierungsunterlagen nach zu telefonieren, empfiehlt es sich, ein dediziertes Callcenter, welches den Lieferanten in Landessprache anspricht, zu implementieren. Wichtig ist es hierbei nicht zuletzt, die Mitarbeiter im Callcenter genauestens über das Projekt zu informieren, damit diese dem Lieferanten kompetent Rede und Antwort stehen können.

Gerade in China können sich Entscheidungsprozesse sehr lange hinziehen, da immer ein Vorgesetzter und vielleicht sogar dessen Vorgesetzter der Registrierung zustimmen muss. Deswegen ist hierbei ein dediziertes Team, das freundlich aber bestimmt den Lieferanten zur Registrierung führt, extrem hilfreich.

Ein gut geschulter Lieferant ist der Schlüssel zum Erfolg

Gerade in China, wo es oft technisch noch nicht so weit entwickelte Zulieferer gibt, ist es enorm wichtig, die Benutzung der Software sehr genau und immer wieder zu erklären. Die Lieferanten sollten hierbei nicht nur ein (selbstverständlich chinesisch-sprachiges) ausführlich bebildertes Handbuch erhalten, sondern dediziert an Schulungsmaßnahmen teilnehmen. Hier ist wiederum eine Mischung aus Präsenz-, Online- und Vorort Schulungen ideal.

Sollte der Lieferant das zu nutzende Portal noch nicht kennen, sollte jeder Lieferant mindestens eine der angebotenen Schulungsmaßnahmen durchlaufen haben, bevor er in die Nutzung der Lösung gebracht wird. Die Schulungen sollten dabei von einem erfahrenem Trainer, der die Lösung und den Prozess des Kunden sehr gut kennt, durchgeführt werden.

Step by step – Erfassung des Status und der Fortschritte bei der Lieferantenanbindung

Ein detailliertes Tracking der Fortschritte ist essentiell, um über den aktuellen Stand im Projektteam stets informiert zu sein.

Die Daten können dabei visuell in einer Excel-Vorlage nachgehalten und im wöchentlichen Rhythmus besprochen werden.

  • Identifizierte Lieferanten
  • Stammdaten vorhanden
  • Lieferant informiert
  • Anschreiben erhalten
  • (Teilnahme Informationsveranstaltung)
  • EDI Vereinbarung zugestimmt
  • Rollout gestartet (Portal)
  • Registrierung abgeschlossen
  • Teilnahme Schulung
  • Registrierung erfolgreich
  • Connectivity eingerichtet
  • Live

3..2..1.. Go!

Langsam! Bevor Sie nun die Lösung mit Ihren ersten Lieferanten scharf schalten, sollten Sie sich Gedanken über ein umfängliches Supportkonzept machen.

Folgende typische Fragestellungen sollten Sie deshalb für sich beantworten:

  • Wohin kann sich der Lieferant bei technischen Fragen wenden? Sie wollen ja sicher nicht, dass Ihre Einkäufer dauernd Fragestellungen wie „Wie geht das, wo muss ich klicken?“ beantworten müssen.
  • Wie stelle ich einen umfassenden und vor allem zeitnahen Support für meine Lieferanten ggf. auch außerhalb meiner Geschäftszeiten sicher?
  • Wie halte ich das Supportteam auf dem aktuellen Stand?
  • Wie biete ich Lieferanten, die nicht Englisch oder Deutsch sprechen einen umfänglichen Supportprozess an?
  • Wie stelle ich einen internen, technischen Support bei nicht verbuchten Nachrichten sicher?

Auch wenn die kulturellen Unterschiede zeitweise sehr fordernd sind und einen erfolgreichen Rollout nicht immer ganz einfach machen: China ist und bleibt spannend! Und vielleicht haben Sie sogar die Möglichkeit, das Land der Mitte bei einem Onboarding-Projekt zu besuchen! Ich wünsche Ihnen jedenfalls viel Erfolg beim erfolgreichen Projekt mit Ihren Lieferanten in China!

谢谢 (Danke) fürs Lesen!

Ihr 博福润 (Florian Boehm)

PS: Lassen Sie sich doch von einem Kollegen einen chinesischen Namen geben, der phonetisch so wie Ihr richtiger Name klingt! Meiner heißt übersetzt übrigens so viel wie „vielseitiges Wissen“, „Glück, Segen“, „Gewinn, Profit“

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