Erhöhung der Versorgungssicherheit bei kritischen Engpassteilen
Die Versorgungssicherheit nimmt angesichts der stetig zunehmenden Erfordernis, sich als fertigendes Unternehmen global auszurichten, eine immer höhere Bedeutung ein. Der Begriff ‚Versorgungssicherheit‘ tangiert in diesem Zusammenhang einerseits die fundierte und realistische Planung und Abstimmung von Bedarfen und Kapazitäten entlang des gesamten Wertschöpfungsnetzwerks, andererseits die zeitgerechte Erkennung und Eliminierung von Störungen in der Belieferung, um Produktionsausfälle und teure Sondermaßnahmen zu verhindern. Mit der voranschreitenden Globalisierung und der anhaltenden Verlagerung von Wertschöpfungsanteilen auf Lieferanten wird die Sicherstellung einer reibungslosen Belieferung der Produktion auch immer komplexer.
Meine Erfahrung aus zahlreichen Gesprächen mit Kunden und Interessenten geht zunehmend dahin, dass selbst Unternehmen, bei denen die Kommunikation und Prozessabwicklung mit Lieferanten in relativ hohem Umfang per EDI erfolgt, keine ausreichend gute Transparenz über die Versorgungslage haben. Selbst sie haben stetig wiederkehrende kostenintensive Sondermaßnahmen zu leisten, damit Zulieferteile und –komponenten rechtzeitig an den Ort der Produktion gelangen. Die negativen Auswirkungen sind besonders hoch, wenn es sich um kritische Engpassteile von Lieferanten handelt, die nicht von Alternativlieferanten bezogen werden können. Den Ursachen für die bestehenden Defizite liegt eine Reihe unterschiedlicher Ursachen zugrunde.
EDI = Einbahnstraße?
Als Hauptgrund kann angeführt werden, dass die EDI-Kommunikation in der derzeitigen Ausprägung meist nur in eine Richtung abläuft. Insbesondere in der Automobilindustrie gilt häufig noch die starre Prämisse, dass geliefert werden muss, was in der Lieferplaneinteilung oder der Bestellung enthalten ist. Daher wird auf einen Lieferabruf oder eine Bestellung von den Lieferanten gar keine Antwort erwartet. Der Lieferant soll liefern, wozu man ihn über Rahmenverträge verpflichtet hat. Sollte er mal nicht liefern können, will man das erst gar nicht vermittelt bekommen. Das hilft auch, die Aufwände in der Materialdisposition im Rahmen zu halten.
Das mag noch gut funktionieren, wenn man ein mächtiger OEM ist und mit seinen Lieferanten entsprechend schmerzhafte Konventionalstrafen vereinbaren konnte. Wenn man als einkaufendes Unternehmen jedoch, aus welchen Gründen auch immer, über weniger Marktmacht verfügt, ergibt sich ein anderes Bild. Dann muss man nämlich als Kunde selbst über eine gewisse Flexibilität verfügen, um gegebenenfalls über die Verschiebung der eigenen Bedarfe oder den Aufbau von Beständen in einem gewissen Umfang Abrisse zu verhindern.
Paradigmenwechsel: RSVP – Um Antwort wird gebeten
Um dies leisten zu können, ist es unumgänglich, stetig zu prüfen, ob die eigenen Teilebedarfe mit den Produktions- und Lieferfähigkeiten der Lieferanten in Einklang stehen oder ob sich kritische Ungleichgewichte ergeben. Zu diesem Zweck benötigt man auf die Bedarfsmeldung des einkaufenden Unternehmens, also den Lieferabruf oder die Bestellung, zwingend eine Antwort der Lieferanten, aus der interpretiert werden kann, ob und inwieweit sich versorgungskritische Defizite ergeben. Allein dies stellt bei sehr vielen Fertigungsunternehmen – auch bei global führenden – bereits einen einschneidenden Paradigmenwechsel in der Prozessabwicklung dar. Es kommt hinzu, dass diese ‚Antwort‘ des Lieferanten aufgrund der Vielzahl der zu disponierenden Zulieferteile und -komponenten nicht auf beliebigem Wege und in beliebigen Formaten erfolgen kann, um der Gesamtzielsetzung, Versorgungstransparenz zu schaffen, auch wirklich gerecht werden zu können.
Es mag zugegebenermaßen schon eine Verbesserung sein, wenn der Lieferant, der einen Teileumfang nicht zeitgerecht liefern kann, sich per Telefon oder E-Mail bei seinem Einkäufer und Disponent meldet, um ein Problem bekanntzugeben. Man kann sich jedoch leicht vorstellen, dass das Ende der Fahnenstange dieser ‚menschbasierten‘ Frühwarnsysteme aufgrund der Begrenztheit der der zur Verfügung stehenden Personalkapazität schnell erreicht ist. Gefragt ist deshalb die integrierte elektronische Abwicklung des Gesamtprozesses von der Störungserkennung über die gemeinsame Interpretation bis hin zur (rechtzeitigen) Problembeseitigung auf der Basis direkt verarbeitbarer, strukturierter Daten. Dieser Anspruch kann wiederum aus zwei wesentlichen Gründen nur sehr schwierig in die Praxis umgesetzt werden.
Erstens verfügen viele der involvierten Lieferanten nicht über die technischen, finanziellen und personellen Möglichkeiten, um im eigenen Backend die Voraussetzungen für eine medienbruchfreie elektronische Prozessverarbeitung schaffen zu können. Zum Zweiten würde man es auf der Basis der allseits beliebten und gängigen EDI-Kommunikation auch gar nicht hinbekommen, Störungen in der Versorgung in zweifelsfreier Übereinstimmung zwischen einkaufendem Unternehmen und dem betroffenen Lieferanten rechtzeitig zu erkennen, um diese im Anschluss in kollaborativer Weise planerisch lösen zu können. Denn dem bloßen Austausch von Informationen und die isolierte Interpretation des Zusammenpassens zwischen Kundenbedarfen und den eigenen Fähigkeiten in den eigenen ERP-Systemen fehlt eine entscheidende Komponente für eine sichere Störungserkennung: die gemeinsame Sicht auf die Versorgungslage auf Basis einer normierten Datengrundlage, quasi einer gemeinsamen Sprache.
Gemeinsame Sicht ermöglicht rechtzeitige Reaktion
Durch dieses Defizit ist es beiden Partnern bei einer reinen EDI-Kommunikation nicht ohne aufwändige Abstimmungen möglich, zu beurteilen, ob wirklich eine Störung vorliegt und wodurch diese konkret verursacht wurde. Der Kunde sagt, es fehlen Teile in der KW 35, der Lieferant behauptet, er hätte aufgrund seiner Fortschrittszahlen, die seiner Planung zugrunde liegen, und der sich bis dahin ergebenden Bestandslage kumulativ keine kritischen Abweichungen festgestellt. Für diese Art der Problemfindung und –beseitigung kann man nur viel Ausdauer, Zeit und Geld/Rücklagen wünschen. Konkrete Abhilfe schaffen hier innovative Kollaborationsansätze, wie z.B. der Supply Chain Monitor von SupplyOn:
- Er schafft eine gemeinsame Sicht auf die Versorgungsschnittstelle zwischen einkaufendem Unternehmen und den Lieferanten und verwendet dabei eine für beiden Seiten bekannte Sprache: die Teilemengen über der Zeit.
- Er bezieht alle Partner entsprechend ihren technischen Fähigkeiten in den Prozess ein, entweder per EDI oder Web-basierter Software (inkl. Up- und Download).
- Er sendet bei Erkennung einer Störung auf Basis eines konfigurierbaren Alerting Systems Warnmeldungen an alle relevanten Prozessteilnehmer aus und ermöglicht somit deren zeitgerechte Eliminierung durch planerische Maßnahmen.
Schauen Sie doch mal hier rein, wie Conti das macht: Die Risiken im Blick (aus Logistik Heute, 7-8/2012)