Das Forum Automobillogistik von BVL und VDA 2016 hat gezeigt: Die Digitalisierung der Supply Chain wird Realität
Knapp 400 Teilnehmer trafen sich am 3. und 4. Februar auf einer der wichtigsten Automobillogistik-Veranstaltungen des Jahres in Frankfurt.
Schon fast traditionell startet die „Kongress-Saison“ mit der Gemeinschaftsveranstaltung des Bundesverbandes Logistik und des Verbandes der Automobilindustrie in das neue Jahr: Unter dem Motto „Supply Chain 4.0: stabil, synchron, skalierbar“.
Mit einem großen Aufgebot an Ausstellern, illustren Teilnehmern und tollen Referenten (unter Ihnen VDA-Präsident Matthias Wissmann und Opel-Chef Karl-Thomas Neumann) wurde einmal mehr gezeigt, dass die seit Jahren beschworene Bedeutung der Logistikprozesse, die zwischen Kunden, Lieferanten und Transportdienstleistern ablaufen immer weiter zunimmt. Kaum ein Vortrag, der sich nicht mit diesem Thema beschäftigte wurde im großen Forum präsentiert oder im kleineren Kreis in Parallelsequenzen vorgestellt.
Auffällig war, dass im Gegensatz zu früheren Jahren, in denen es mehr um die Ideen und die Abgrenzung von Industrie 4.0 oder Internet of Things (IoT) ging, Referenten von namhaften Unternehmen wie Volkswagen, Daimler, Bosch und ZF vermehrt von konkreten Umsetzungsprojekten in diesem Bereich berichteten.
Transportlogistik rückt in den Fokus
Auffällig war weiterhin, dass das Thema Transportlogistik vermehrt in den Fokus der Hersteller und Zulieferer rückt: Sind die internen Fertigungs- und Logistikprozesse in den vergangenen Jahren zentrales Betätigungsfeld der Experten in den Unternehmen gewesen, konzentriert man sich – sicher auch eine Folge von Branchentrends wie Connected Car und Big Data – auf Optimierungspotentiale in der unternehmensübergreifenden Supply Chain: Mehr Transparenz der Logistikkosten und Reduzierung derselben lassen sich nur erreichen, wenn alle beteiligten Unternehmen in übergreifende Prozesse integriert werden.
Neben den angestrebten Einsparungen erlaubt die Prozesstransparenz und -standardisierung viel früheres Eingreifen bei Versorgungsstörungen und vereinfacht die Zusammenarbeit. Konkret konzentrieren sich die Aktivitäten dabei auf Transportoptimierung, Reduzierung von Sonderfahrten ebenso wie der eigenen Lagerbestände sowie die Integration von Behälterkonzepten in unternehmensübergreifende IT-Prozesse.
Flankierend wurde in mehreren Vorträgen dargestellt, wie das strategische und insbesondere das operative Risikomanagement Entscheider in den Unternehmen mit smarten Auswertungsmöglichkeiten in der zunehmenden Komplexität der Versorgungsprozesse unterstützen.
Das fast schon inflationär zur Verfügung stehende Datenmaterial – welches durch smarte Behälter oder durch RFID-Technologie sich selbst dokumentierender Teile und Baugruppen nochmal stark ansteigt – und wie dieses zu validen und das Management bei Entscheidungen unterstützende Informationen wird, ist eine Herausforderung, der sich die Branche und Dienstleister zunehmend annehmen. Sicher herausragend war hier ein Vortrag von DHL, in dem die Situation geschildert wurde, dass ein Mitarbeiter den Brand einer Lagerhalle an einem chinesischen Hafen auf einer entsprechenden Risk-Management-Plattform des Unternehmens gemeldet hatte und die Information somit schneller zur Verfügung stand als bei den klassischen Nachrichtenagenturen.
Blick auf die Aerospace-Industrie: Zentrale Internet-Plattform als Vorbild
Ebenfalls ist es schon Tradition, auch Vertreter anderer Branchen zu Wort kommen zu lassen: Mit einem Vortrag von Airbus, bzw. einem Konsortium der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie wurde ein interessanter Aspekt aufgezeigt: Durch eine standardisierte Lösung, die über eine zentrale Internet-Plattform zur Verfügung gestellt wird, eröffnen sich neue Möglichkeiten der unternehmensübergreifenden Kollaboration: Bedarfe werden nicht nur einfach per EDI-Nachricht an den Lieferanten gesendet, sondern über eine Branchenlösung, die über alle Stufen der Supply Chain genutzt wird, zur Verfügung gestellt.
Kunde und Lieferant haben hier die Möglichkeit, diese Daten gemeinsam einzusehen und zu bearbeiten, was Engpasssituationen zu vermeiden hilft und aufgrund der Standardisierung der Prozesse großes Ratio-Potential für die Branche bietet: Neben der Reduzierung von Sondertransporten und unnötigen Lagerbeständen sind die unternehmensinternen Prozesse in Richtung Kunde und in Richtung Lieferant für die Versorgung gleich und brancheneinheitlich. Vielleicht ein Modell auch für die Automobilindustrie.
An zwei Bildern, welche Prof. Dr. Ten Hompel vom Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) im Rahmen seines Vortrages zum Thema „Logistik 4.0“ gezeigt hat, lässt sich der Transformationsprozess der Automobillogistik sehr gut nachvollziehen: Gab es bei der Papstwahl 2005 auf dem Petersplatz in Rom in der Zuschauermenge nur ein sichtbares Foto-Handy, hatte bei der Papstwahl 2012 praktisch jeder Schaulustige ein Smart-Phone in die Höhe gereckt. Ten Hompel prognostiziert eine ähnlich disruptive Entwicklung für die Logistik der Automobilbranche in den kommenden Jahren.
Der Einstieg in diesen Transformationsprozess ist geschafft, das hat der Kongress deutlich gezeigt. Und die Entwicklung wird weitergehen.