Lieferkettengesetz – die ersten drei Schritte zu mehr Sicherheit
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, im allgemeinen Sprachgebrauch kurz Lieferkettengesetz genannt, setzt Unternehmen unter Handlungsdruck: Ab dem 1. Januar 2023 sind alle Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten mitverantwortlich, dass in ihrer Lieferkette Menschenrechte gewahrt werden. Weltweit sind 100 Millionen Menschen von moderner Sklaverei betroffen, fast 80 Prozent davon sind Kinder. Das Gesetz hat zum Ziel, diesen Menschen eine bessere Zukunft zu ermöglichen und enthält einen Katalog von elf international anerkannten Menschenrechtsübereinkommen.
Ab 2024 soll das Gesetzt auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeiter*innen gelten. Parallel arbeitet die EU an einem Vorschlag, der über das deutsche Gesetz weit hinaus geht und Unternehmen noch stärker in die Pflicht nimmt. Dieser bezieht beispielsweise nicht nur die direkten Lieferanten, sondern auch deren Sublieferanten mit ein – was die Komplexität weiter erhöht.
Die Zeit drängt
Viele Unternehmen wissen heute noch nicht, wie sie die neuen gesetzlichen Anforderungen umsetzen werden. Langfristig sollten Unternehmen ein systematisches Risikomanagement realisieren, das auch menschenrechtliche Aspekte in der Lieferkette inklusive Präventions- und Abhilfemaßnahmen umfasst. Doch solche umfassenden Systeme lassen sich in der Regel nicht innerhalb weniger Monate realisieren.
Um sich diesem komplexen Thema pragmatisch zu nähern, schlägt SupplyOn einen 3-Stufen-Plan vor, mit dem eine solide Basis geschaffen wird, um langfristig ein umfassendes Risikomanagement umzusetzen.
Schritt 1: Transparenz in der Lieferantenbasis schaffen
Ausgangspunkt für alle Aktivitäten zur Abbildung des Lieferkettengesetzes ist die Transparenz darüber, mit welchen Lieferanten ein Unternehmen zusammenarbeitet. Das mag trivial klingen, ist es aber in der Praxis meist nicht. Zum einen bedingt durch die Vielzahl an internen Systemen, zum anderen durch „Workaround“-Prozesse in der Beschaffung (meist untersagt, aber dennoch geduldet), fehlt vielen Unternehmen eine konsolidierte Sicht auf ihre Lieferantenbasis. Dubletten verschlimmern die Situation und erschweren die eindeutige Identifikation von Lieferanten zusätzlich.
Abhilfe schafft die Konsolidierung aller Lieferantendaten inklusive Bereinigung von Dubletten in einem zentralen Lieferanteninformations-System, mit eindeutiger Identifizierung (zum Beispiel über die DUNS-Nummer). Diese bereinigten Daten lassen sich dann anreichern mit weiteren digital verfügbaren Daten zu den jeweiligen Lieferanten – beispielsweise mit dem Einkaufsvolumen aus dem Finance-System oder der Lieferantenstrategie aus dem SRM-System – um eine sinnvolle Risikosegmentierung vorzunehmen.
Schritt 2: Risiken erkennen
Das Lieferkettengesetz hat die Arbeits- und Sozialstandards im Fokus, beispielsweise:
- Wie sind die Arbeitsbedingungen generell?
- Werden Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards verletzt?
- Werden angemessene Löhne bezahlt?
- Wie sieht es mit Kinderarbeit aus?
Hier die gute Nachricht: Solche Risikobewertung müssen Sie nicht komplett selbst vornehmen. Ähnlich wie bei der ISO-Zertifizierung gibt es Dienstleister, die Unternehmen, Länder und Regionen analysieren und Risiko-Scores bereitstellen. SupplyOn arbeitet mit diesen Anbietern zusammen (beispielsweise Münchner Rück und Swiss Re) und kann auf deren Daten zugreifen.
Sobald Ihre Lieferanten digital erfasst und eindeutig identifiziert sind (siehe Schritt 1), können diese Informationen automatisiert auf Ihre gesamte Lieferantenbasis gemappt werden. So ergibt sich ein guter und schneller Überblick über mögliche Schwachpunkte und Risikolieferanten. Über Alerts können Veränderungen getrackt und sofort sichtbar gemacht werden.
Sind die Fragestellungen für das Lieferkettengesetz abgedeckt, können die Lieferantendatensätze sogar mit Daten angereichert werden, die über die Menschenrechte hinaus gehen und zum Beispiel Environment-, Social- und Governance-Aspekte (ESG) abdecken.
Dabei werden beispielsweise folgende Fragestellungen berücksichtigt:
- Wie geht der Geschäftspartner mit Ressourcen um?
- Wie werden Industrieabfälle entsorgt?
- Wie hoch ist das Korruptionsrisiko?
- Hält der Geschäftspartner gesetzliche Vorgaben ein?
Schritt 3: Handeln
Verantwortungsvolles Handeln steht im Kern des Lieferkettengesetzes. Doch wie kann das konkret aussehen? Neben internen Maßnahmen, wie zum Beispiel der organisatorischen Verankerung von Richtlinien und Standardprozessen, muss die Zusammenarbeit mit Lieferanten kooperativ, nachvollziehbar und digital gestaltet werden.
Hierfür empfehlen wir folgende Sofortmaßnahmen, die sich – einmal etabliert – ohne großen Aufwand in einem regelmäßigen Turnus wiederholen lassen:
- Überprüfung von Lieferanten mit erhöhtem Risiko über Selbstauskünfte (standardisierte Fragebögen) und Audits
- Vereinbarung und Durchführung von Verbesserungsmaßnahmen sowie deren regelmäßige Überprüfung
- Gesonderte Vertragsvereinbarungen, wie zum Beispiel die Einführung eines verbindlichen Code-of-Conduct
- Einholen von Zertifikaten
Langfristig können diese Maßnahmen bereits im Einkaufsprozess verankert werden. Damit ist sichergestellt, dass potenzielle Risiken bereits im Sourcing-Prozess identifiziert und adressiert werden – und dass diese Erkenntnisse einen Einfluss auf die Vergabeentscheidung haben. Soll bei einem hohen Risikopotenzial eine bestimmte Lieferbeziehung überhaupt eingegangen werden? Sind dem Lieferanten Auflagen zu machen, die er bis zur Serienlieferung zu erfüllen hat? Ist eine regelmäßige Auditierung erforderlich und sind die Kosten hierfür in der TCO (Total Cost of Ownership) berücksichtigt? Auf diese Weise lässt sich das Risiko in der gesamten Lieferantenbasis sukzessive minimieren.
Wie geht es weiter: von der Pflicht zur Kür
Das Lieferkettengesetz fokussiert heute primär auf die direkten Lieferanten. Um die Lieferkette über mehrere Stufen bis hin zum Rohstofflieferanten zu überprüfen, gibt es viele weitere, auch rechtliche Fragestellungen. In der Regel haben Unternehmen keine Transparenz darüber, welche Sublieferanten ihre Geschäftspartner unter Vertrag haben. Da zu Sublieferanten keine vertragliche Beziehung besteht, gibt es keine Auskunftspflicht – wodurch die Handlungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt werden.
Hierfür gibt es jedoch eine wachsende Anzahl an Möglichkeiten: So lassen sich zum Beispiel über Big Data und Market Intelligence wahrscheinliche Lieferketten sichtbar machen. Über kooperative Ansätze kann sogar eine Risikoabschätzung über mehrere Tier-Stufen hinweg vorgenommen werden. Welcher dieser Schritte gegangen werden sollte und wo eine tiefergehende Betrachtung der Lieferkette erforderlich ist, hängt dabei von der individuellen Risikobewertung ab.
SupplyOn bietet mit seinem weltweiten Unternehmensnetzwerk von über 140.000 Fertigungsunternehmen beste Voraussetzungen, die notwendige Transparenz in globale Lieferketten zu bringen, um kollaborativ mit Lieferanten der sozialen Verantwortung gerecht zu werden.