Supply Chain Risk Management – weit mehr als nur ein Weg aus der aktuellen Krise
Die aktuelle Corona-Krise zeigt es ganz deutlich, wie verletzbar und störungsanfällig Lieferketten heute sind und wie wichtig es ist, Störungen jeglicher Art zu antizipieren, um ihre Auswirkungen zu minimieren. In diesem Zusammenhang spielt das Thema Supply Chain Risk Management eine große Rolle. Dabei geht es im Wesentlichen um Antworten auf die folgenden Fragen:
- Welchen Risiken ist meine Supply Chain ausgesetzt?
- Wie kann ich Probleme in meiner Supply Chain schnellstmöglich erkennen – Stichwort Frühwarnsystem?
- Was muss ich tun, um den Schaden möglichst gering zu halten und gestärkt aus der Krise herauszugehen?
- Und was kann ich daraus für die Zukunft lernen: Wie muss ich mich aufstellen, um zukünftig jegliche Risiken gut kontern zu können?
Risiken in der Supply Chain: was gilt es zu berücksichtigen
Supply Chain Manager wissen, dass die Ausnahme von einer geordneten Lieferung öfter die Regel ist, als gewünscht. Grund ist die Vielzahl der Risiken, die innerhalb einer komplexen Supply Chain zu Unterbrechungen führen können:
- Externe Risiken: Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Stürme, Pandemie
- Soziopolitische Risiken: Streiks, Grenzschließungen, Handelsschranken
- Individuelle Risiken: Insolvenzen, Reputationsverlust
- Prozessrisiken: Informationslücken, verspätete Identifikation von Abweichungen, mangelhafte Prozess-Compliance
- Volatilität: unerwartete Veränderungen von Bedarfen oder an Transportknotenpunkten
Für ein ganzheitliches Risikomanagement ist es daher unerlässlich, Supply-Chain-Risiken „End-to-End“ zu betrachten und nicht nur einzelne Risiken zu fokussieren.
Der entscheidende Faktor: Zeit
Krisen sind Situationen, in denen die Karten neu gemischt werden: Jede Krise bringt Gewinner und Verlierer hervor. In jeder Krise findet ein Verteilungskampf statt, den dasjenige Unternehmen gewinnt, das am besten vorbereitet ist. Dabei ist Zeit der entscheidende Erfolgsfaktor: je schneller ein Unternehmen wieder auf die Beine kommt, desto größer seine Chancen, unbeschadet oder vielleicht sogar gestärkt aus der Krise herauszukommen.
Risk Management und Supply Chain Management eng verzahnen
Ein wichtiger Aspekt beim Bewältigen von Krisensituationen ist, das Thema Risk Management nicht separat zu betrachten, sondern als einen integralen Bestandteil des Supply Chain Managements zu verstehen. Was nützt es mir, wenn ich für meine eigene Produktion die besten Notfallpläne aufgestellt habe, diese jedoch ins Stocken gerät, weil meine Lieferanten nicht lieferfähig sind oder der Transport der zugekauften Teile nicht klappt? Um mein eigenes Risiko zu minimieren, muss ich immer auch die Risiken im Blick haben, denen meine Geschäftspartner – allen voran meine Lieferanten und Transportdienstleister – ausgesetzt sind.
Dabei sind die folgenden beiden Perspektiven wichtig:
- Präventiv
Welchen Risiken ist meine Lieferkette ausgesetzt? Was könnte passieren und wie muss ich mich aufstellen, um die Auswirkungen zu vermeiden oder zu minimieren? - Operativ, wenn der Ernstfall eingetreten ist
Was sind die Auswirkungen und wie groß ist der Schaden? Welche meiner Geschäftspartner sind wie stark betroffen? Was muss ich tun, um den Schaden zu minimieren?
Unternehmen, die ihre Supply Chain bereits vor einer akuten Krise digitalisiert und ihre Lieferanten angebunden haben, sind im Ernstfall ganz klar im Vorteil: Sie haben bereits die Basis geschaffen, um den Faktor Zeit auszuhebeln. Sie sind in der Lage, sich mit wenigen Klicks einen Überblick über die Lage zu verschaffen und sofort zielgerichtet zu reagieren. Alles, was ein Unternehmen in ruhigeren Zeiten im Hinblick auf Strategie, Tools und Prozesse getan hat, um die Supply Chain zu optimieren und zu stabilisieren, zahlt sich in der Krise doppelt und dreifach aus.
Nach der Krise ist vor der Krise
Vielleicht haben Sie auch das Gefühl, dass das Schlimmste bereits hinter uns liegt: In China wurde die Produktion weitestgehend wieder hochgefahren, auch in Europa entspannt sich die Lage, die Aktienmärkte weltweit scheinen sich zu erholen. Und doch ist die Krise noch lange nicht überstanden. Weltweit steigen die Infektionszahlen nach wie vor dramatisch an. Immer wieder entstehen auch in Ländern, die die Lage weitgehend im Griff haben, lokale Hotspots. Die Gefahr einer zweiten Welle – und damit eines zweiten Lockdowns – ist noch lange nicht gebannt. Hinzu kommt, dass sich Lieferketten und Transporte, die unterbrochen wurden, nicht auf Knopfdruck wiederherstellen lassen.
Diese hohe Unsicherheit scheint das „neue Normal“ geworden zu sein, mit dem wir lernen müssen umzugehen. Schon vor der Corona-Krise war immer häufiger die Rede davon, dass wir in einer VUCA-Welt (Volatility, Uncertainity, Complexity, Ambiguity) leben: eine Welt, die immer unkalkulierbarer wird und in der Dinge passieren, die man bis dato für unmöglich gehalten hat.
Aus Sicht von SupplyOn ist Supply Chain Risk Management kein Trendthema, dessen Bedeutung wieder schwinden wird, wenn ein Impfstoff oder ein Medikament für COVID-19 gefunden ist. Wir sind überzeugt, dass das erfolgreiche Managen von Risiken in der Supply Chain zukünftig noch wichtiger wird, um die wachsenden Herausforderungen einer immer komplexer werdenden Welt erfolgreich zu meistern.
Ich möchte mit dieser Blog-Artikel-Serie zum einen die zahlreichen Aspekte und Ebenen eines ganzheitlichen Supply Chain Risk Managements aufzeigen. Zum anderen werde ich anhand von Beispielen aus der Praxis pragmatische Ansätze vorstellen, wie sich Risiken in der Supply Chain erfolgreich managen lassen und sich Lieferketten langfristig stabil gestaltet lassen. Folgende Themen werde ich im Laufe der nächsten Wochen hier beleuchten:
- Welche Sofortmaßnahmen muss ich ergreifen, um meine Supply Chain erfolgreich durch eine akute Krise zu steuern?
- Mit welchen Maßnahmen und Prozessen lassen sich Lieferketten mittel- und langfristig resilient machen – mit zahlreichen Beispielen aus der Praxis?
- Was können Unternehmen aus der Corona-Krise lernen, um gestärkt daraus hervorzugehen?