Was treibt die Logistik in der Automobilindustrie voran?
Die Digitalisierung ist in vollem Gange
Schon einige Zeit haben Ansätze wie künstliche Intelligenz oder Internet der Dinge den wissenschaftlichen und universitären Bereich verlassen. Die Unternehmen der Automobilindustrie und der Logistik sind unterwegs, diese Ansätze mit den heute verfügbaren technischen Möglichkeiten umzusetzen. Die erfolgreiche Digitalisierung der branchenspezifischen Beschaffungsstrategien schreitet massiv voran und ist weiterhin Modell und Benchmark für andere Industrien.
Was man somit beim Forum Automobillogistik 2019, welches am 5. und 6. Februar unter dem Motto „Wertschöpfung gestalten – analog – digital – in Echtzeit“ in der BMW-Welt München stattgefunden hat, zu sehen und zu hören bekam, war wie zu erwarten außerordentlich beeindruckend. Es trug – nebenbei – einmal mehr die erfolgreiche und zukunftsweisende Arbeit der veranstaltenden Verbände BVL (Bundesvereinigung Logistik e.V.) und VDA (Verband der Automobilindustrie e.V.) nach außen: Gut über 500 Teilnehmer konnten in Vorträgen und der begleitenden Ausstellung förmlich mit Händen greifen, dass sich die Automobilindustrie nicht nur in den für den Kunden direkt wahrnehmbaren Bereichen wie eMobility oder Car Sharing der Digitalisierung stellt, sondern auch Produktions- und Beschaffungsprozesse konsequent für die Zukunft fit macht.
Hersteller und Zulieferer ziehen an einem Strang
In Vorträgen der Automobilhersteller wie BMW oder Volkswagen wurde quasi das „Post-EDI-Zeitalter“ anhand von Use-Cases aufgezeigt, die bereits in operativer Nutzung sind: Die digitale Strategie der Zusammenarbeit über Unternehmensgrenzen hinweg ist umgesetzt. Die neben den Zulieferern im Prozess beteiligten Transport-Dienstleister sind hier voll integriert und sichern so die Supply Chain nicht nur ab, sondern machen früher nicht realisierbare Visibilität möglich: Entweder systemische Rückmeldungen oder Meldungen von Sensoren lassen Störungen in der Versorgung proaktiv erkennbar werden. Im Sinne von Predictive Analytics können Handlungsempfehlungen für die Beteiligten systemgestützt gravierende Störungen in der Produktion verhindern.
Aber auch die Zulieferer machen sich die verfügbaren Technologien zunutze: Sicher herausragend sichtbar wurde dies durch den alljährlich vom VDA vergebene Logistik Award. Dieser ging in diesem Jahr an die Continental AG ging für eine cloud-basierte IT-Lösung, die auf Basis von Kapazitätsbedarfen und -zusagen Analysen der Lieferketten in Echtzeit ermöglicht und somit Engpässe durch Verzögerungen oder sogar Ausfall von Materiallieferungen ausweist.
Mehr noch, das Tool ermöglicht über Umverteilung von Lagerbeständen und Produktionsprogrammen die Aufrechterhaltung der Lieferfähigkeit gegenüber dem Automobilhersteller. Somit ist es möglich, Versorgungsrisiken gegenüber dem OEM völlig zu vermeiden oder wenigstens so frühzeitig darauf hinzuweisen, dass geeignete Abstellmaßnahmen eingeleitet werden können.
Diese bemerkenswerte Lösung beeindruckte sicher nicht nur das Publikum bei der Preisverleihung, sondern wird auch nach der Veranstaltung ein Thema der Diskussionen um Versorgungssicherheit bleiben. Denn die Hauptkomplexität der Supply Chain liegt aufgrund der diversifizierten Lieferanten-Community sicher beim Zulieferer, oder in der Sprache der Automobillogistiker beim „Automotive-Tier-1“. Hier ist die Lösung von Continental sicher für andere Zulieferer beispielgebend.
Standardisierung tut Not
Deutlich wurde aber in den Vorträgen und in den Gesprächen an Messeständen oder beim Get-Together in den Pausen: Einzelinitiativen stoßen immer dann an ihre Grenzen, wenn sie an bestimmten Stellen zusammenlaufen. Zum Beispiel wird der Umstand als kritisch gesehen, dass ein Lkw-Fahrer, der für unterschiedliche Kunden bei unterschiedlichen Lieferanten Ware abholt und hier aufgrund der Digitalisierungsansätze in einer App Ladungen oder Zustände bestätigen soll und dies dann aber auf zig verschiedenen Apps machen muss.
Hier wird ganz klar in Richtung Standardisierung diskutiert, um den Mehrwert, den die Digitalisierung des Prozesses von der Bestellung bis zur Verfügbarmachung am Verbauort nicht durch einen Wildwuchs an Systemen und Applikationen zunichte zu machen. Unternehmensübergreifende technologische Ansätze in der Cloud werden hier als valide Ansätze gesehen. Der Schlüssel zur Lösung wird im Markt in Form von Multi-Enterprise-Netzwerken gefunden werden müssen, da spätestens mit der Einbeziehung der Transport-Dienstleister in die digitale Abbildung der Prozesse die klassische 1:1-Beziehung über EDI nicht mehr funktionieren wird.
Es bleibt abzuwarten: Welche Ansätze werden wir hierzu sehen, wenn im kommenden Frühjahr das Forum Automobillogistik 2020 stattfindet? Wir sind gespannt.