Wie sich eine zuverlässige Planung trotz hoher Bedarfsschwankungen erreichen lässt
Die Corona-Krise hat eine schon lange schwelende Herausforderung für Lieferanten noch offensichtlicher gemacht: Wie zuverlässig ist die Bedarfsvorhersage (Forecast), die sie von ihren Kunden bekommen? Nicht nur während der Corona-Zeit kam und kommt es zu starken Schwankungen und Unsicherheiten bei der Bedarfsvorhersage. Auch im „Normalzustand“ können die ursprünglich gemeldeten Bedarfe von den tatsächlich abgerufenen Materialien erheblich abweichen. Die entscheidende Frage ist also: Wie lassen sich hier bessere Vorhersagen und damit auch eine höhere Planbarkeit erreichen?
Häufige, gravierende Schwankungen im Forecast bringen Lieferanten aus dem Tritt
In einer idealen Welt sendet ein einkaufendes Unternehmen ein sehr stabiles Nachfragesignal für die nächsten 12 bis 18 Monate an seine Lieferanten. Die wöchentlichen oder monatlichen Aktualisierungen dieses Forecasts weisen keine großartigen, überraschenden Schwankungen auf. Und auch mit der dann tatsächlich bestellten und letztlich abgenommenen Liefermenge stimmen die Forecasts überein. Somit kann der Lieferant stets zuverlässig planen – von der Materialbeschaffung über die Produktion bis hin zu den konkreten Arbeitsschichten, je näher der Liefertermin rückt.
Die Realität sieht jedoch meist anders aus. Innerhalb der 12 bis 18 Monate einer Forecast-Periode kommt es immer wieder zu Anpassungen und Korrekturen an den Bedarfsvorhersagen. Das ist normal und stellt zumeist so lange kein Problem dar, wie die Abweichungen nicht zu fundamental oder nicht zu kurzfristig auftreten. Kurz vor dem Feinabruf (im „Firm Horizon“) – meist wenige Wochen vor der eigentlichen Produktion – sollte sich allerdings nicht allzu viel mehr ändern. Denn hier können häufige, massive Bedarfsschwankungen den Lieferanten aus dem Tritt bringen und zu Lieferabrissen führen.
Da zumeist die Beschaffung des Rohmaterials viel Vorlauf benötigt, stellen ihn kurzfristige Änderungen à la „bitte zwei Wochen früher, aber in geringerer Menge liefern“ oder „wir benötigen die Materialien erst eine Woche später, dafür aber in doppelter Anzahl“ vor große, teilweise unüberwindbare Herausforderungen. Die im Forecast abbildbaren Schwankungsbreiten werden in der Praxis oftmals nicht gelebt bzw. eingehalten.
Plötzliche Konjunkturschwankungen oft nicht im System abgebildet
Erschwerend kam in der Corona-Zeit eine gewisse Trägheit hinzu, die sich mancherorts in die Systeme eingeschlichen hat. Einige ERP-Prozesse sind teilweise so eingeschwungen, dass sie nicht mehr dynamisch angepasst werden. Die Forecasts basieren dann möglicherweise auf einer Umsatzplanung, die schon zig Monate oder Quartale alt ist.
Gerade bei schnellen, konjunkturellen Umbrüchen können sich die Lieferanten dann nicht mehr auf die im System angegebenen Bedarfe verlassen. Häufig werden diese Forecasts zwar noch korrigiert – nicht selten jedoch erst kurzfristig vor dem Feinabruf oder teilweise sogar erst kurz vor dem tatsächlichen Liefertermin. Nicht nur, dass die dann gemeldeten Bedarfe erheblich vom nur eine Woche zuvor gemeldeten Forecast abweichen. Auch erfolgen diese Korrekturen oft nicht systemgestützt, sondern über so genannte Schattenprozesse, also E-Mail, Fax oder Telefon. Vertraglich sind zwar innerhalb des kurzfristigen Zeithorizonts Regelungen über die Abnahme von Mengen getroffen. Jedoch führen Mengenanpassungen nach oben unter Umständen zu Problemen in der Versorgungssicherheit und müssen daher erkannt bzw. vermieden werden.
Lieferanten planen zudem weit im Voraus ihre Materialbeschaffung und auch die weiteren internen Produktionsschritte – und zwar auf Basis der gemeldeten ERP-Zahlen.
Mit Data Science zu mehr Planungssicherheit
Doch wie können Lieferanten hier eine höhere Planungssicherheit erhalten und die Nachfrage ihrer Kunden bedienen – trotz starker Schwankungen? Dazu hat SupplyOn eine Lösung entwickelt, die auf Machine Learning basiert. Diese analysiert die Nachfrageprozesse, wie Forecast, Lieferabrufe und Bestellungen des Kunden in der Vergangenheit und leitet daraus Prognosen für die Zukunft ab.
Anhand verschiedener Dimensionen wird dabei untersucht, wie stabil das Nachfrageverhalten ist: Treten Abweichungen vor allem bei einzelnen Kunden auf? Oder sind es eher bestimmte Werke? Betreffen die Abweichungen in erster Linie bestimmte Materialien bzw. Materialgruppen oder sind sie eher übergreifend?
Der Forecast vom Kunden wird auf dieser Basis mit weiteren Informationen für die Einkäufer und Materialplaner beim Lieferanten angereichert. Sie erhalten dadurch deutlich mehr Transparenz jenseits der nackten ERP-Zahlen. So können sich die Lieferanten bereits im Vorfeld darauf einstellen, inwiefern sie mit höchstens minimalen Abweichungen oder doch erheblichen Diskrepanzen bei der tatsächlichen Nachfrage rechnen sollten. All das hilft ihnen, ihre eigene Planung abzusichern und entsprechende Puffer, Lagergrößen, Bestellfristen etc. einzukalkulieren.
Glatte Lieferkette trotz hoher Bedarfsschwankungen
Die Vorteile für den Lieferanten liegen auf der Hand:
- Erkennen von Nachfragemustern und Schwankungsbandbreiten
- Verbesserte Planungssicherheit durch Anreicherung des Forecasts mit historischen Daten und Trendanalysen auf Kunden-, Werk- und Materialebene
- Vermeidung von kurzfristigen Umplanungen und Umstellungen in der Produktion
- Vorbeugung von aufwändigen oder teuren Ad-hoc-Materialbestellungen
- Verhinderung von Lieferabrissen des Kunden
- Optimierung der Lagerhaltung
- Höhere Kundenzufriedenheit und -bindung, da vorausschauende Reaktion auch auf kurzfristig gemeldete Bedarfsänderungen
- Tieferes Verständnis für die Ursache von Schwankungen (warum, wann und wo treten diese gehäuft auf), um gemeinsam mit den Kunden mögliche Präventionsmaßnahmen zielgenau erarbeiten zu können
Indirekt profitieren davon letztlich alle Teilnehmer in der Lieferkette – vom einkaufenden Unternehmen bis zum Sublieferanten. Denn es kommt zu weniger Störungen und in der Folge insgesamt zu einer Glättung der Supply Chain.
Auch im Krisenfall ein nützliches Instrument
Die Lösung bewährt sich aber nicht nur in „Normalzeiten“, sondern auch in Ausnahmesituationen wie der aktuellen Corona-Krise. So erweist sie sich gerade im Hochlauf der Produktion als gutes Planungs- und Steuerungsinstrument. Denn hier lässt sich einerseits die Entwicklung der Nachfrage der letzten 12-18 Monate mit den aktuellen Daten vergleichen. Dies kann beispielsweise dabei helfen, die Prognosequalität anhand typischer saisonaler Schwankungen zu verfeinern.
Andererseits lässt sich so tages- oder wochenaktuell ablesen, wie die Nachfrage wieder nach oben geht. Auch diese Trendinformationen sind bei der Produktions- und Beschaffungsplanung äußerst wertvoll.
Und nicht nur das: Statt die Unsicherheit über die aktuelle Auftrags- und Bedarfslage in der Lieferkette wie vorher immer weiter nach unten zu reichen, lässt sich so auch in unsicheren Zeiten ein Stück Stabilität erreichen. Davon profitiert wiederum die Lieferkette als Ganzes. So wird auch das so genannte „New Normal“ im Sinne einer VUCA-Welt (VUCA = volatility, uncertainty, complexity, ambuigity) wieder ein Stück beherrschbarer.